Kommentar von Dennis Riehle
Es wird nun schwer für manch einen Anhänger der AfD. Denn obwohl ich dafür bekannt bin, mich prinzipiell mit der kritischen Opposition zu solidarisieren – und entgegen meiner Kollegen der Haltungspresse keine Kontaktscham oder Brandmauer gegenüber der Alternative für Deutschland hege, ist natürlich auch diese Partei kein Paradies. Sie wird nicht als Messias auf die Welt daniederkommen – um uns von allen Problemen und Herausforderungen zu befreien. Und selbstredend gibt es auch dort Platz für selbsternannte Ikonen, die mich persönlich nicht wirklich abholen. Denn auch wenn sich die Blauen völlig zu Recht als das Gegenmodell zum Establishment positionieren, ist man dort nicht vor charakterlichen Eigenheiten des Einzelnen geschützt, wo Menschen mit unterschiedlichen Zielen, Vorstellungen und Wünschen aufeinandertreffen. Darum rumort es auch dort ab und an, wo man sich nach vielen Jahren der Zerreißprobe und Abspaltungen um Geschlossenheit bemühte. Denn natürlich gibt gerade unter Idealisten viel Spielraum für Rivalität, Egozentrik und Machtgier, weil nun einmal in einer Zusammenkunft von Personen durchaus Potenzial für Neid, Missgunst und Argwohn bestehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn man sich unter anderem auch um Ämter, Positionen und Einfluss streitet. Da prallen manchmal sehr von sich überzeugte Individuen aufeinander, bei denen man durchaus den Eindruck haben könnte, dass nicht unbedingt das Land oder ihre Fraktion an der ersten Stelle stehen. Sondern vor allem das Ego. Und so bin natürlich auch ich enttäuscht von einigen Vertretern derjenigen Konkurrenz zu den Alteingesessenen, die eigentlich das Prinzip des Berufspolitikers meiden wollten – und sich stattdessen bürgernah, niederschwellig und zugewandt geben möchten.
Ist man in den Sozialen Medien unterwegs, so erhält man eine Impression darüber, wem es von den Amtsträgern tatsächlich auch um einen Austausch mit der Basis geht. Produzieren sie also nur Inhalt, den sie mit möglichst großer Reichweite in die Welt senden möchten – oder sind sie darüber hinaus auch gewillt, mit dem Souverän in Kontakt zu kommen und sich mit ihm in der Debatte zu üben? Ich weiß man darum, dass viele dieser Prominenten nur wenig Zeit haben und an vielen Stellen eingebunden sind. Andererseits verwundert es dann doch, wie es Kollegen von ihnen schaffen, zumindest den Draht in die Niederungen des einfachen Bürgers aufrechtzuerhalten – und parallel ihrem legislative Wirken nachzugehen. So liegt der Verdacht nahe, dass das Eigenverständnis einer politischen Person des öffentlichen Lebens äußerst divergiert. Da fällt mir also beispielsweise Dennis Hohloch auf, der als Abgeordneter beispielsweise auf der Plattform X sehr viele Botschaften über den Äther schickt – die darüber hinaus rhetorisch überzeugen und inhaltlich scharfkantig sind. Betrachtet man dagegen aber seine Interaktion, so wird es dürftig. Bei ihm funktioniert Kommunikation offenbar nur in eine Richtung. Er stellt den Anspruch, dass sich seine Publikationen rasch vervielfältigen. In einen wirklichen Dialog darüber tritt er allerdings kaum ein. Sicherlich liegt das auch daran, dass er eifrig mit seinen Verpflichtungen als Mandatar beschäftigt ist. Und obwohl er mir menschlich nicht wirklich ans Herz gewachsen ist, so bin ich mir als Journalist dennoch nicht zu schade, ihm zur Seite zu springen, wenn ich den Eindruck habe, dass meine Zunft wieder einmal einen Skandal dramatisiert, der in einer objektiven und unaufgeregten Wirklichkeit keine Schlagzeile wert wäre.
Als Volksvertreter im Landtag von Brandenburg ist er für wortgewaltige Äußerungen bekannt – und entfacht damit immer wieder heftige Diskussionen. Aktuell wird ihm der Vorwurf gemacht, vor einer Besuchergruppe aus Grundschülern über das Thema der mittlerweile nahezu omnipräsenten Gruppenvergewaltigungen im Alltag referiert zu haben. Möglicherweise fällt das vernichtende Urteil gegenüber diesen Einlassungen auch deshalb so groß aus, weil der geborene Potsdamer einst selbst Lehrer war. Ist es also pädagogisch sinnvoll, ein durchaus nur bedingt kindgerecht aufzuarbeitendes Faktum bei Sechs- bis Zehnjährigen anzubringen? Ab wann sollte man unsere Kleinsten mit der Realität konfrontieren? Kann es überhaupt gelingen, solch eine schwere Kost entsprechend zu transportieren, dass sie nicht unmittelbar Angst, Schrecken und Furcht bei unseren Sprösslingen auslöst? Und ab welchem Augenblick scheint es verhältnismäßig, auf eine Unverrückbarkeit vorzubereiten, die ohne Zweifel mit Sorgen, Frustration und Hilflosigkeit besetzt ist? Sicherlich wäre es ein besserer Weg gewesen, die Eltern als Empfänger der grausamen Gegenwärtigkeit zu adressieren. Gleichzeitig scheint es aber auch notwendig und gar verpflichtend, schon aus Gründen der Prävention, Aufklärung und Sensibilisierung selbst diejenigen auf Gefahren aufmerksam zu machen, die mit einem Ist-Zustand eines krimineller werdenden Deutschlands noch überfordert sein mögen. Als Psychologischer Berater habe ich es selbst stets so gehalten, bei derart brisanten Komplexen zunächst die Erziehungsberechtigten zu informieren – damit sie in ihrem eigenen Ermessen und in der besseren Kenntnis über ihre Nachkommen eigenständig darüber entscheiden können, inwieweit sie eine Brutalität aussprechen, die im schlimmsten Fall vor keinem Alter Halt macht. Andererseits könnte man aber auch argumentieren, dass unsere Jüngsten sehr viel sensiblere Antennen besitzen, als wir uns das oftmals eingestehen wollen. Sie nehmen Stimmungen und Atmosphären weitaus schneller auf – und werden heutzutage mit Wahrheiten provoziert, die wir aus der Epoche einer deutlich sichereren Bundesrepublik nicht gewohnt waren. Da kommt es auf dem Pausenhof zu Messerangriffen, Schlägereien und Mobbing – und auch am helllichten Tag kann man sich nicht mehr darauf verlassen, auf dem Weg nach Hause unbehelligt zu bleiben. Es bringt nichts, auf dem Tisch liegende Gegebenheiten zu negieren – weil man sich entweder auf den Standpunkt stellt, man könne in der Reifungsphase der Seele unserer Zöglinge nicht mit unschönen Sachverhalten um die Ecke kommen. Doch das ständige Fernhalten von der Lebenspraxis ist kein verantwortungsvoller Umgang mit der schmerzlichen Vernunft, dass unser Zuhause eben nicht mehr so ist wie früher. Je länger man Jugendliche von den vorherrschenden Verhältnissen abschirmt, so heftiger wird zu einem späteren Moment das Ankommen auf dem Boden der Tatsachen. Dass wir mittlerweile in der freien Natur nicht mehr unserer Integrität, Souveränität und Unversehrtheit gewiss sein können, das ist dem Versagen einer Politik zu verdanken, die sich nicht darum schert, ob diejenigen in einer stabilen Zukunft aufwachsen können, welche im Augenblick noch auf Sinnsuche, Orientierung und Identifikation sind. Man kann so lange um den heißen Brei herumreden, bis er abgekühlt ist. Doch damit verwaschen wir die Existenz anhaltender Bedrohungen für die Unverletzlichkeit des Seins. So sollte der Anwurf nicht in Richtung derer gehen, die aus einer durchaus nachvollziehbaren Motivation heraus keinen Hehl daraus machen wollen, wie ernst es um uns steht. Ob dies im Rahmen eines Besuchs von Knirpsen im Parlament geschehen sollte, darüber kann man wahrlich trefflich streiten. Die Schuld liegt aber nicht bei jenem, der Missstände artikuliert. Sondern eindeutig auf der Seite derer, die diese abzustellen gewählt worden sind.