Kommentar von Dennis Riehle
Er ist mittlerweile zu einem geflügelten Terminus der selbsternannten Guten geworden. „Nie wieder“ wird auf allen „Demonstrationen für die Demokratie“ gegrölt. Doch während sich der vernunftorientierte Bürger in diesen Tagen wohl eher an Zustände in der DDR als an die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus erinnert, waren wohl diejenigen im Geschichtsunterricht geistig nicht immer anwesend, die auf der einen Seite zwischen 1933 und 2024 Parallelen erkennen wollen – aber den Splitter in ihrem eigenen Auge nicht wahrzunehmen scheinen. In ihrer doppelmoralistischen Manier beklagen sie Beleidigungen gegen die Grünen – unterstützen aber eine Hetzjagd gegen Sympathisanten der AfD. Ihre Verlogenheit wird zunehmend auch an verschiedenen Einlassungen von mehr oder weniger Prominenten deutlich. So ist es legitim und hehr, mit Aussprüchen wie „Nazis töten“, Faschisten „keulen“ oder „Ratten fangen“ eine Dehumanisierung von Mitgliedern der Alternative für Deutschland entgegen der verfassungsrechtlich verbrieften Würde jedes Einzelnen hoffähig zu machen – und in Alice Weidel ein Kontinuum zu Joseph Goebbels zu erkennen. Gleichzeitig steht der Weltuntergang bevor, wenn sich das Establishment darüber empört, dass manch ein Wahlkampfhelfer aus dem linken Spektrum beleidigt oder bespuckt wird. Aber es irgendwie normal ist, dass ein Bedauern durch die Reihen geht, falls ein ehemaliger US-Präsident leider nur am Ohr von einer Kugel getroffen wurde. Dass Fürsprecher der Blauen mittlerweile nicht nur verbalen Angriffen ausgesetzt sind, sondern vermehrt unter tätlichen Attacken leiden, werden wir selbstverständlich in den Leitmedien nicht erfahren. Stattdessen gibt der ÖRR auch weiterhin eine Bühne denjenigen, die ihren Hass gegen alle Andersdenkenden jenseits der CDU ohne jeden Skrupel zum Besten geben dürfen.
Und so staunte selbst der Moderator des ZDF, Markus Lanz, nicht schlecht, als in seiner Sendung die auf das Thema Grundrechte spezialisierte Expertin Frauke Brosius-Gersdorf nicht nur mehr oder weniger deutlich einen Entzug dieser eigentlich für jeden Bürger gleichermaßen unabänderlichen Ansprüche für jene proklamierte, die sich gegen allen zeitgeistigen Brauch und Sitte erdreisten, eine zutiefst verachtete Partei mit einem Kreuz auf dem Stimmzettel zu bejahen. Sie ging in ihrer Agitation und Demagogie noch einen Schritt weiter. Schon lange hätte ein Verbot angestrengt werden müssen – auch wenn dies „die Anhängerschaft nicht beseitigen“ würde. Der verdutzte Journalist hakte noch einmal nach – und wollte richtiggestellt wissen, dass diese Lehrpersonen mit ihrer Aussage hoffentlich keinesfalls andeuten wollte, dass aus ihrer Sicht Menschen mit einer nicht genehmen Anschauung eliminiert werden müssten. Und auch wenn die Antwort der Forscherin mit „Natürlich nicht“ prompt kam, verriet vor allem ihre Mimik und Gestik etwas Anderes. Es war mindestens ein Freudscher Versprecher – und legte eine Mentalität offen, die zum Ausrufen des Katastrophenfalls geführt hätte, wäre sie an Genossen aus dem ökosozialistischen Spektrum gerichtet gewesen. So bleibt es lediglich bei einer Schlagzeile in den Sozialen Medien, dass wohl in manchem Kopf der sich als etwas Besseres ansehenden Kohorte an politisch Korrekten Phantasien über eine sukzessive Ausgrenzung, Repression und Zensur von Individuen kreisen, die ihr Recht auf freie Befürwortung einer in diesem Land am legitimen Wettbewerb um die besten Lösungen und Konzepte teilnehmenden Kräfte wahrnehmen. Ob die Traumvorstellungen der jeden Leumund verlorenen Elite an Doktoren und Professoren noch einen Schritt weiter gehen – und im tiefen Unterbewusstsein tatsächlich den Wunsch reifen lassen, in einer von der Vergangenheit durchaus gezeichneten Republik erneut „aufzuräumen“, mag der Interpretation des außenstehenden Betrachters überlassen bleiben.
Man mag diesen Gedanken gar nicht bis zum Ende zu führen, weil er angesichts der Singularität des 20. Jahrhunderts so unbegreiflich ist. Wie tief müssen Ressentiments, Missgunst und Abscheu wohl in der Seele festsitzen, wenn man sich nicht mehr zurückhalten kann, auf offener Bühne jedenfalls die Assoziation zu einer herbeigesehnten Auslöschung derjenigen herzustellen, die lediglich eine selbstständige Auffassung, Haltung und Überzeugung vertreten? Die Spaltung und Polarisierung in unserem Miteinander hat ein derartiges Maximum erreicht, dass man sich bisweilen tatsächlich fragen muss, ob diese Gräben irgendwann wieder zugeschüttet werden können. Wenn eine Ideologisierung zu einer derartigen Entfremdung beiträgt, dass wir die Existenz eines Gegenübers aufgrund dessen politischer Ausrichtung infrage stellen, mutet am Ende doch wieder eine Atmosphäre an, welche schon einmal das Denken in der Kategorie von Sündenböcken geebnet hatte. Wie martialisch muss das Vokabular noch werden, dass ein Aufschrei durch unsere Gemeinschaft geht? Es dreht sich schon lange nicht mehr um inhaltliche Divergenzen oder eine sachliche Ferne voneinander. Stattdessen spielt sich die Auseinandersetzung auf einer Ebene ab, die in Sachen Abstumpfung, Verrohung und Gleichgültigkeit kein Halten mehr kennt. Welche Geschütze will man von den vermeintlich Progressiven ins Feld führen, um ihre Herrschsucht nach Totalitarismus zu befriedigen? Muss es denn erneut zu einer dramatischen und zerstörerischen Aufruhr kommen, damit am Ende Gewissensbisse den weltanschaulichen Kampf um Deutungshoheit unserer Zukunft stoppen? So wäre es die Aufgabe einer verantwortungsvollen Regierung, zur Abrüstung beizutragen. Doch sie steigt lieber in den Chor mit ein, der nicht nur einen Abgesang auf ein humanes Zusammenleben trällert – sondern eine Wirklichkeit anstrebt, in der es außerhalb eines Kartells keine Daseinsberechtigung mehr gibt. Diktatur war gestern. Aber sie ist es auch heute.