Kommentar von Dennis Riehle
Was wäre der Mensch ohne Träume, Visionen und Utopien? Wunschvorstellungen sind eine wesentliche Motivation für Veränderungen im eigenen Leben – und auch in unserem Land. Da gibt es Ideale, die man selbst auf dem Fundament einer Weltanschauung errichtet hat – und welche es zu erreichen nicht nur als eine Tugend gilt. Stattdessen gibt es gerade bei Ideologien nicht selten ein verkrampftes Bestreben, auf dem Reißbrett erarbeitete Konzepte auch ernsthaft in die Wirklichkeit umzusetzen. Im Privaten mag das eine großmütige und ehrenvolle Intention sein, die auf dem Konto des Moralismus einige zusätzliche Fleißpunkte einbringt. In der Politik kann solch eine Mentalität allerdings rasch in die Ambition übergehen, einen Plan zu realisieren, der nicht bis zu Ende durchdacht ist – und im Zweifel deutlich größere Kollateralschäden anrichtet als ein Festhalten an Bewährtem, Funktionierendem und Erfahrenem. Der Unterschied zwischen Konservativismus und Progressivismus wird in diesen Tagen deutlicher denn je. Und so divergieren auch die Ansichten über das Morgen. Während sich also der vernunftorientierte Bürger vor allem eine Zukunft in Sicherheit und Ordnung wünscht, wäre es für Grünsozialisten und Antifaschisten der größte Erfolg, würde sich die gesamte Republik am beschaulichen Städtchen Bad Sachsa orientieren. Die Kommune in der Nähe von Göttingen wird von der tendenziösen Haltungspresse als das gelungene Beispiel von Multikulturalismus ins Feld geführt – und der „Focus“ lobt sie vor allem deshalb als ein Vorzeigemodell, weil im Stadtrat die Alternative für Deutschland keinen einzigen Vertreter stellt. Nicht nur der mehrfach links abgebogene Muckraker scheint sich vollends von der Demokratie entfernt zu haben, wenn er sich eine Idylle herbeiwünscht, die ohne jegliche rechte Gesinnung und kritische Opposition auskommt – und vor Güte, Milde und Zuwendung nur so trieft. Bei einem rationalen Blick muss solch eine Manier geheuchelt sein. Denn sie widerspricht dem Naturell der Ehrlichkeit.
Obwohl in der Gemeinde 500 Migranten aus 60 verschiedenen Nationen auf einem einigermaßen überschaubaren Raum zusammenleben, hatte man es bislang offenbar verpasst, gerade derjenigen Partei eine Chance zur Mitsprache zu geben, nach der sich plötzlich viele Bürger in der Provinz sehnen. Denn ihnen fällt es wie Schuppen von den Augen, dass Nächstenliebe und Barmherzigkeit nur beim himmlischen Vater unbegrenzt sind. In der irdischen Bedingtheit kommen Toleranz, Vielfalt und Respekt irgendwann an einen Moment, der den Wind kurzerhand aus einer anderen Richtung wehen lässt. So scheint ein Fleckchen Erde auf einmal nicht mehr angetan von seinem Prädikat als „nazifreie“, bunte und weltoffene Zone. Sondern die Diskussion um eine Erweiterung des Flüchtlingsheims wird zu dem sozialen Sprengstoff, der sich sicherlich nicht erst gestern unterbewusst in der Seele von vielen Menschen angestaut hat, welche auf der einen Seite als die „Guten“ gelten wollten – sich aber eigentlich im Klaren darüber waren, dass ein Vielvölkerstaat weder in der Fläche noch im Kleinen funktioniert. Wo eklatant voneinander abweichende Sprachen, Religionen, Brauchtümer, Traditionen, Prägungen, Historien, Entwicklungen, Philosophien, Werte, Sitten, Überzeugungen und Normen aus allein hehren Zielen mit Zwang zum Zusammenleben und Akzeptieren verdonnert werden, brodelt es im Zweifel von Anfang an. Doch man lässt sich schnell durch das Inbild vom Musterknaben blenden – und hält das von Bundeskanzlerin Merkel aufoktroyierte „Wir schaffen das“ durchaus eine ganze Weile aufrecht. Doch bei allen schwelenden Konflikten kommt der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Letztlich sind wir gerade als Deutsche leidensfähig, weil wir uns noch immer unter der Androhung des Totschlagarguments der Kollektivschuld für Kolonialismus und Nationalsozialismus beeindrucken lassen. Aber auch die beste Geduld, Hilfsbereitschaft und Langmütigkeit kommt an ein Limit.
Und was sich nun stellvertretend am südlichen Rand des Harzes abspielt, ist repräsentativ für unsere Gemeinschaft ganz generell. Da sind es die Eiferer, Schwärmer und Vorkämpfer – welche die Fahne einer falsch verstandenen Humanität, Nachsicht und Aufgeklärtheit auch dann noch hochhalten, wenn ein Kontinent samt seiner autochthonen Mehrheit durch die Flutung mit illegalen Einwanderern vor die Existenzfrage gestellt wird -, welchen das Wasser irgendwann bis zum Hals steht. Es ist für eine korrekte Seele eine wirkliche Katastrophe, wenn ein Kartenhaus in sich zusammenfällt, das man über Jahre und Jahrzehnte aufgebaut hat. Man muss sich eingestehen, dass Kapazitäten und Ressourcen endlich sind. Und man sich trotz Wohlwollen für Diversität, Globalismus und Klaviatur vor dem Bersten eines Gefüges retten muss, welches schon vor drei Dekaden von manchen Politikern und Gelehrten als gescheitert angesehen wurde. Denn ein Miteinander der multiplen und eigensinnigen Ethnien scheint schon deshalb nicht immanent, weil uns bereits die Schöpfung phänotypische Merkmale für jede Gruppe an die Hand gegeben hat, mit denen nicht etwa der Auftrag zur vollständigen Vermischung verbunden ist. Wäre dies von Beginn an das Vorhaben gewesen, hätte uns die Evolution nicht erst separiert und zur Definition unter Unseresgleichen an vielen Plätzen auf diesem Erdball angesiedelt. Natürlich können wir auch weiterhin einer Märchenerzählung anhängen, die im abgeschotteten Elfenbeinturm praktikabel scheint – weil dort niemand mit den Konsequenzen eines zusammengewürfelten Verbundes konfrontiert ist, die in der äußersten Dramatik für manch einen Bürger bedeutet, ins offene Messer zu laufen. Und da kann man sich noch so sehr für Integration einsetzen. Es gibt die oftmals mit Bezug auf den Klimawandel vorgebrachten Kipppunkte ohne jeden Zweifel. Sie spielen sich allerdings nicht in unseren Luftschichten ab, sondern auf dem Boden der Tatsachen. Und so wird es nicht das letzte Erwachen sein, das wir aktuell in Niedersachsen beobachten können. Bei Dornröschen brauchte es einen Kuss. In der Gegenwart reicht die Wahrheit.