Kommentar von Dennis Riehle
Wer die Wahrheit liebt, hat es in diesen Tagen schwer. Schließlich wird die Bildung derjenigen momentan auf eine harte Probe gestellt, die sich in Schulzeiten darum bemüht hatten, nicht nur physisch dem Unterricht zu folgen. Ob es nun die Anfänge der dunkelsten Kapitel der Historie sind, die der Geschichtslehrer in einer differenzierten Betrachtung der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse vor 1933 vorgetragen, in ihrer singulären Konstellation der Historie kontextualisiert hatte – und aus der Entfernung von Dekaden wohl einigermaßen unmissverständlich zum Ausdruck brachte, dass sich ein solches Ereignis höchstwahrscheinlich „nie wieder“ abspielen wird. Und trotzdem krakeelen aufgeschreckte Seelen vor dem Brandenburger Tor in ihrer scheinbaren Profanität auch aktuell wieder: „Nazis töten!“. Oder es sind die physikalischen Prinzipien über die Zusammensetzung der Partikel in unseren Luftschichten, die eigentlich jedem verständigen Menschen vor Augen führen müssten, dass die Emission von CO2 sicherlich keine signifikanten Auswirkungen auf die Wärmereflexion der Atmosphäre haben dürfte – und damit das Narrativ über den ausschließlich anthropogen verursachten Klimawandel in sich zusammenbrechen lässt. Dennoch wollen uns die Wetterdienste alle vier Wochen neu die Schuld dafür einreden, dass hinter uns der heißeste Monat seit 1000 vor Urknall liegt. Und da ist es nicht zuletzt die biologische Unverrückbarkeit, dass die Evolution bei den allermeisten von uns bereits bei Geburt erkennen lässt, welchem Geschlecht wir im Sinne der Binarität zuzuordnen sind. Die Auswahl dabei ist allerdings keinesfalls so groß, wie uns das die Ideologen der queeren Bewegung derzeit zu verkaufen versuchen. Es bleibt bei den zwei Optionen aus Maskulinum und Femininum, zwischen denen es seltene Abstufungen geben kann – die sich aber keinesfalls außerhalb dieses Gerüsts abspielen.
Gleichzeitig möchte uns allerdings eine für den objektiven Zuschauer im einigermaßen offensichtlichen Körper eines Mannes geborene Boxerin bei den Olympischen Spielen in Paris die Theorie nahebringen, dass sie trotz einer widersprechenden chromosomalen Veranlagung mit weiblichen Merkmalen auf die Welt kam – und sich daher als intersexuelle Athletinnen versteht. Dass diese Perspektive allein aufgrund des einigermaßen gnadenlosen Verhaltens im Ring allerdings gut und gerne in Zweifel gezogen werden kann, beweist auch eine tagelange Debatte darüber, inwieweit nicht doch transidentitäre Tendenzen mit im Spiel sind – welche die zuständigen Veranstalter und Entscheider zu der Erkenntnis hätten bringen müssen, dass sich nach der obszönen Eröffnungsfeier ein neuer Skandal anbahnt. Dieser erregt nicht zuletzt deshalb die Gemüter auf der ganzen Welt, weil die tragische Szenerie des Unterbutterns einer von Anfang an schon physisch unterlegenen Gegnerin reflexartige Gefühle von Unfairness und Ungleichheit bei vielen von uns aufkommen lässt. Eine Geisteshaltung übernimmt also die Beweiskraft, welche noch bis vor einigen Jahren eine nach der Tugend der Objektivität arbeitenden Wissenschaft für sich beanspruchen konnte. Und so negiert eine Philosophie der maximalen Flexibilität die Regeln der Schöpfung und der Vernunft sowohl bei der „Erderhitzung“ wie auch einer Paranoia des „Genau so hat es damals auch angefangen“ oder in der Frage über eine Zweigliedrigkeit der Abstammung. Stattdessen lassen sich Forschung und Lehre unter Verweis auf die Gesinnungsethik durch lobbyistisch auftretende Propagandisten einer woken Weltanschauung vereinnahmen, die ihre eigenen Gesetze und Normierungen für allgemeinverbindlich erklären – und damit sämtliche Maßstäbe der Ursprünglichkeit, Natürlichkeit und Originalität aufkündigen. „Früher“ wäre eine Diskussion über die Verortung eines Sportlers innerhalb und außerhalb der sexuellen Bipolarität gar nicht erst ausgebrochen. Sondern es galt als zivilisatorische Konvention, eine Harmonie zwischen Sexus und Genus bereits kurz nach der Entbindung eines Babys herzustellen.
Dass es in einzelnen Fällen zu Schattierungen kommt, welche sich allerdings auch medizinisch nachvollziehen lassen – und nicht, wie bei Imane Khelif offenbar geschehen, erst im Laufe des Lebens zu einer subjektiven Gewissheit führen, rüttelt nicht an der identitären Klarheit mit dem Erblicken des Lichts der Welt eines Kindes. Denn der erste Eindruck trügt auch hier nur äußerst selten. Und er galt lange als Gegebenheit, an der auch inhärente Gefühle keinesfalls etwas ändern konnten. Erst mit dem Aufkommen einer ad absurdum getriebenen Selbstbestimmung, die mit dem Totschlagargument der Diskriminierung bis in den Exzess getrieben wurde, ist jegliche Verbindlichkeit verloren gegangen – die doch eigentlich der Kitt für das Zusammenleben in einer Gesellschaft ist. Denn wenn wir uns nicht mehr darauf verlassen können, unser Gegenüber als das zu benennen, was wir von ihm wahrnehmen, bricht sich eine Mentalität von Willkür und Unstetigkeit bahn, die Spaltung und Zerrüttung in einem Miteinander vorantreibt. Der Einzelne existiert eben nicht in einem luftleeren Raum, sondern inmitten eines Verbundes mit Ebenbürtigen, die ebenfalls ein Recht auf Authentizität, Echtheit und Unverfälschtheit haben. Wer Freiheit ausschließlich als ein einseitiges Begehren des Individuums gegenüber dem Kollektiv versteht, verunmöglicht jede Solidarität und Gerechtigkeit in einer Gemeinschaft, die auf ein Mindestmaß an Konformität angewiesen ist. Der Respekt, die Wertschätzung und das Anerkennen von gottgegebenen Tatsachen gebietet sich auch deshalb, weil es bereits in der Vergangenheit selten gewinnbringend war, wenn die Sichtweise und Interpretation der Wirklichkeit von einer oder wenigen Personen abhängt. Das Diktat der Minderheit ist eine Gefahr für das demokratische System, die sich eine auf Pragmatismus stützende Überzahl selbst unter Androhung der Moralkeule nicht bieten lassen darf.