Kommentar von Dennis Riehle
Wer sich heute darüber Gedanken macht, was Demokratie bedeutet, der wird sich angesichts der aktuellen Gegebenheiten vor allem auf Prädikate wie Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Volksherrschaft, Gerechtigkeit, Sicherheit, Ordnung, Wahrhaftigkeit, Repräsentativität, Mitbestimmung, Integrität, Souveränität, Unabhängigkeit, Neutralität, Wirtschaftlichkeit, Solidarität, Verhältnismäßigkeit, Tugendhaftigkeit, Ehrlichkeit und Friedfertigkeit konzentrieren. Dass von all diesen Idealen in der aktuellen Dekade kaum noch etwas übrig geblieben ist, untermauert den Untergang der Bundesrepublik innerhalb einer Epoche. Sie ist nicht nur mit Blick auf die Ökonomie vom Exportweltmeister zum Schlusslicht geworden. Sondern sie muss sich sogar international mittlerweile den Vorwurf gefallen lassen, in totalitäre Verhältnisse zurückgefallen zu sein. Und da können noch so viele Antifaschisten auf unseren Straßen „Nie wieder“ grölen. Von 1933 sind wir zwar weit entfernt. Aber an die 80er-Jahre kann man sich durchaus erinnert fühlen. Die Einebnung der Macht, der Informationen und der Gesinnung war schon damals Auszeichnung für ein System, das die Menschen kanalisiert und auf Linie gebracht hat. Der Bevölkerung wurde mit Blick auf die Opposition und Andersdenkende Missgunst, Argwohn und Hass eingeimpft. Gegner des Staates waren ohne größeres Zögern mundtot und vogelfrei. Und Akteuren außerhalb der SED hatten die kommunistischen Schranzen größtmögliche Brocken in den Weg gelegt. Es manifestierte sich eine Stimmung der Ausgrenzung und des indoktrinierten Ekelgefühls. Und auch heute ist man wieder darum bemüht, der Öffentlichkeit eine entsprechende Abneigung schmackhaft zu machen. Das „Igitt“ gilt nunmehr allen Akteuren rechts der Union.
Dabei ist es ganz unerheblich, welche programmatischen Standpunkte ein Wettbewerber einnimmt. Prinzipiell ist links das Gute – und alles jenseits davon der Vorhof zur Hölle. Entsprechend inflationär nutzt man mittlerweile das Instrument der Brandmauer. Und man suggeriert dem Publikum die notwendige Kontaktscham gegenüber all jenen, die von BSW bis AfD, von „WerteUnion“ bis „Bündnis Deutschland“, auch nur den Hauch von einer Sympathie, Unterstützung oder Fürsprache in sich hegen. Eine solche Mentalität ist mir seit jeher fremd. Denn eine Weltanschauung steht keinesfalls luftleer im Raum. Sie wird stattdessen von Menschen vertreten, die es mir zu segregieren schon allein deshalb schwerfällt, weil ich mich als ein Philanthrop verstehe – der stets Neugier und Interesse dafür zeigt, warum ein Gegenüber seine Ideologie untermauert. Insbesondere aufgrund meiner beruflichen Leidenschaft für den Journalismus begegne ich nach Möglichkeit jedem mit Unvoreingenommenheit – und reduziere ihn weder auf seine sexuelle Identität, noch auf die Herkunft oder gar die parteiliche Präferenz. Und so wird es aus meiner Feder auch nie eine Schlagzeile geben, die eine Kraft aus Prinzip aus dem Dialog ausschließt. Insbesondere seit meiner Aktivität in den Neuen Medien laufen mir in der Virtualität auch diejenigen über den Weg, welche in der Gesellschaft größtmögliche Diffamierung erfahren. Da sind es beispielsweise Vertreter der Alternative für Deutschland, deren Funktionsträger, Abgeordnete und Sympathisanten, welche auf mich nicht selten einen überaus integren, soliden und profunden Eindruck machen. Und mit denen ich auch deshalb gerne in die Diskussion einsteige, weil mir im Rahmen meiner Sozialisation keine Scheuklappen verpasst wurden.
So treffe ich auf verschiedene Forderungen und Standpunkte, die nur derjenige als extremistisch abtun kann, der vorrangig im Ziehen von roten Linien begriffen ist – statt sich mit dem pragmatischen Gehalt solcher Positionen auseinanderzusetzen. Für mich ist es der wohl rationalste Gedanke in einer freiheitlichen Gemeinschaft, sich zunächst einmal jede Argumentation anzuhören. Und da mache ich allein aus Neugier, Überlegungen nachvollziehen zu können, auch keinen Halt vor Parteien und ihren Anhängern, denen eine Behörde eine völkische und nationalistische Verfassungsfeindlichkeit anheftet – welche allerdings in Karlsruhe nicht zu einem Verbot geführt hat. Damals war es noch die NPD, heute ist es ihre Nachfolge „Die Heimat“, aktuell auch deshalb in den Nachrichten einen Platz findet, weil sich einige Abtrünnige der Blauen auf kommunaler Ebene mit ihr gemeingemacht hatten. Der entsprechende Landesverband der AfD distanzierte sich umgehend mit Vehemenz – was letztlich sein gutes Recht ist. Denn nicht jeder kann dem externen Druck standhalten, wenigstens in ein Gespräch mit denjenigen einzutreten, die mit Vorurteilen, Ressentiments und dem Hörensagen nur so überhäuft werden. Und auch ich gebe zu, dass ich von solchen Plakativen lange beeindruckt war. Doch es war das Kennenlernen des Vorsitzenden Frank Franz bei Twitter, welches mich zu einem Bewusstseinswandel gebracht hat. Zweifelsohne gebe ich unverhohlen zu, dass ich nicht alle Blickrichtungen teilen kann. Gleichzeitig erkenne ich nichts Anstößiges daran, wenigstens einen Moment die Sicht jener einzunehmen, die mit einer entschiedenen Stringenz die Rückkehr zur unmissverständlichen Autochthonie fordern.
Eine generelle Diskriminierung des Fremden finde ich auch dort nicht. Sondern viel eher ein fundamentales Ansinnen, den Globus auch von einer ethnischen Perspektive aus zu betrachten. Denn dadurch wird man vor allem dem evolutionären und schöpferischen Aspekt gerecht, wonach die unterschiedlichen Spezien auf diesem Globus nicht ohne Grund mit phänotypischen Merkmalen ausgestattet wurden – und zunächst einmal einen angestammten Platz hatten, auf dem sie sich untereinander definieren und wiedererkennen konnten. Eigentlich gehört es zur Rationalität, die Utopie vom Multikulturalismus auch deshalb mit größtmöglichem Zweifel zu belegen, weil das obsessiv verordnete Zusammenleben von verschiedenen Gruppierungen mit unterschiedlichen Sprachen, Regeln, Brauchtümern, Religionen, Historien, Werten, Normen und Zielsetzungen unmittelbar und automatisch zu Spannungen, Reibungen und Verwerfungen führen muss. Xenophobie habe ich weder bei einzelnen Abgesandten der einstigen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, noch bei ihrem Frontmann entdecken können. Dass auch er sich eine Rückkehr zu einem ursprünglichen Zustand wünscht, stellt nun wahrlich keinen Beinbruch dar. Viel eher ist das Credo eines Nebeneinanders der Verbünde auch deshalb erstrebenswert, weil das Potenzial für Konfrontation, Provokation und Erosion jeder einzelnen Identität, Integrität und Souveränität dadurch deutlich absinkt. Wahrscheinlich wäre uns der Kampf um die abendländische Tradierung in unseren Breiten erspart geblieben, hätten wir uns nicht auf die Traumvorstellung der vielfältigen und toleranten Harmonie eingelassen – der wir nun kurzerhand ins Messer gelaufen sind. Und so ist es für mich zunächst einmal ohne Frage, dass ich auch diesem politischen Konkurrenten auf dem Tableau der zur Auswahl stehenden Anbieter die Chance und Gelegenheit einräumen will, mich von seinen weiteren Konzepten zu überzeugen.