Kommentar von Dennis Riehle
Verschwörungstheorien galten lange Zeit als anrüchig – und wurden von der Öffentlichkeit als Spinnerei derjenigen abgetan, die sich nicht dazu bereit erklärten, in das orchestrierte und kanalisierte Denken der herrschenden Klasse naiv und verblendet einzustimmen. So war es beispielsweise in der Corona-Pandemie, als sich nicht nur diverse Mythen darum rankten, ob es vielleicht doch kein Zufall war, dass dieses Virus ausgebrochen ist – und letztlich die Obrigkeiten in aller Herren Länder in die Situation der Rechtfertigung von massiven Grundrechtseinschränkungen versetzte. Auch die schnell abgetane Vermutung, dass sich die Mächtigen auf diesem Globus durch eigentümliche Verträge mit Impfstoffherstellern nicht nur in Lobbyismus übten, sondern bedarfsweise auch korrumpiert auftraten, erwies sich im Nachhinein doch nicht als ganz so falsch, wie uns das beispielsweise die Leitmedien anfangs zu suggerieren vermochten. Ähnlich verhält es sich auch mit Blick auf den Kampf gegen den Klimawandel. Da hat sich ein Kartell der Wissenschaft zusammengefunden, welches noch immer die These der ausschließlich anthropogen verursachten Erderhitzung verbreitet, obwohl der mit einem Minimum an physikalischem Sachverstand ausgestattete Normalbürger zunehmend auf den Trichter kommt, dass das Kohlenstoffdioxid in der Zusammensetzung unserer Luftschichten vielleicht doch nicht eine so große Bedeutung hat, wie uns das beispielsweise die Hersteller von Wärmepumpen und Windrädern schmackhaft machen möchten. Denn auch in diesem Fall sind die Profiteure eindeutig auszumachen. Und dass sich die Politik nicht zum ersten Mal zum Handlanger ausgesuchter Wirtschaftszweige machen würde, ist nebenbei keine allzu überraschende Feststellung.
Wenn wir unser Augenmerk auf die militärische Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und Russland richten, dann kann man mindestens bis zu den Maidan-Protesten zurückgehen, um sich des Narrativs gewahrzuwerden, dass hier nicht etwa ein Kampf zwischen Kiew und Moskau ausgetragen wird. Sondern dass es sich um einen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Kreml handelt. Die Nutznießer einer solch bestialischen Schlacht sind allseits bekannt. Neben einigen Herstellern von Photovoltaikanlagen prosperiert im Augenblick vor allem die Waffenindustrie. Und auch das Wissen um zahlreiche Bodenschätze zwischen Lwiw und Luhansk könnte doch tatsächlich auf die Idee kommen lassen, wonach es neben geopolitischen Interessen wieder einmal um ökonomisches Wachstum von ausgewählten Branchen und den Besitz von Naturalien geht, die in einem Gefüge von immer größerer Brisanz werden, das für seinen Wohlstand vor allem auch auf Energieträger angewiesen ist. Während sich also der Naivling weiterhin fragt, warum Selenskyi auch nach mehr als einer halben Million an verlorenen Menschenleben noch immer Kanonenfutter an die Front schickt, stellt sich diese Überlegung dem als Aluhut diffamierten Beobachter von außen schon lange nicht mehr. Es liegt im immanenten Verlangen des Westens, dass dieser Konflikt weiter prolongiert wird. Er dient als Argumentationsgrundlage für das Lockermachen von Milliarden – und entpuppt sich als das Brennglas für ein frisches Austarieren der Global Player. Daher ist die Empörung verständlicherweise groß, wenn sich aus der Gemeinschaft ein Abtrünniger auf den Weg zu Putin macht, um sich in seiner Rationalität und dem Gewissen gegenüber immer neuen Toten und Verletzten für Frieden einzusetzen.
Viktor Orbán mag vielleicht in der EU ausgegrenzt sein. Im eigenen Volk genießt er aber auch deshalb weiterhin großen Rückhalt, weil der Zuspruch für eine endlose Solidarität mittlerweile auch unter denjenigen schwindet, die in ihren Profilen in den Sozialen Medien anfangs noch eindrücklich die blau-gelbe Flagge hissten. Unsere Freiheit wurde nicht am Hindukusch verteidigt – und sie wird es auch nicht im Donbass. Die Unterredung der beiden Präsidenten hat noch einmal unterstrichen, dass Diplomatie durchaus Wirkung zeigen kann. Denn die Bereitschaft zum Einfrieren der momentanen Situation scheint fortzubestehen. Bereits kurz nach der Invasion lagen die ersten Papiere auf dem Tisch, um diese unsägliche Konfrontation rasch zum Abschluss zu bringen. Der Überfall lässt sich nicht entschuldigen, weil wir im 21. Jahrhundert keinesfalls zulassen sollten, in imperialistischer Manier Grenzen gewaltsam zu verschieben. Vergegenwärtigt man sich allerdings die komplexen Ursachen, Zusammenhänge und Kausalitäten, die zur Eskalation motiviert haben dürften, dann landet man doch schnell bei der Vernachlässigung der Bedürfnisse in der russophilen Bevölkerung im Osten, seitdem Petro Poroschenko seinen proeuropäischen Kurs zur Doktrin machte. Wer mit etwas Selbstkritik und einem Perspektivenwechsel auf die Seite des Feindes nach der Dynamik des Geschehens sucht, wird in der Historie zweifelsohne fündig. Denn es gab bereits in den 1990er-Jahren mündliche Zusicherungen durch die transatlantischen Partner, von einer weiteren Expansion abzusehen. Dass man sich an diese Vereinbarungen nicht gehalten hat, erklärt zumindest den weiteren Fortgang vor und nach 2014. Sich mit Vehemenz gegen jegliche Form der Verhandlung, des Kompromisses und des Pazifismus zu stellen, entlarvt den fehlenden Willen zur Vermeidung von noch mehr Leid und Sterben. Manchmal ist es notwendig, Ideale zurückzustellen – und als Klügerer allein deshalb nachzugeben, um der Brutalität Einhalt zu gebieten. Dass unsere Spezies wohl nie ohne Gefecht und Gemetzel auskommen wird, ist zweifelsohne ein nüchterner Befund. Zugleich kann es eine Ermutigung und Hoffnungsschimmer sein, dass sich selbst unter der ukrainischen Einwohnerschaft gemäß neuester Umfragen immer größerer Argwohn und Groll gegenüber demjenigen anstaut, der in seinem Palast residiert – und seine Landsleute dem Gegner zwanglos offenbart.