Kommentar von Dennis Riehle
Was ich heute schmerzlich bereue, das ist meine zeitweilige Verhaftung im linken Lager, dem ich mich vor allem aus dem Wunsch nach mehr sozialer Gerechtigkeit, einer vernünftig betriebenen Nachhaltigkeit und dem Verfechten einer freiheitlichen Gesellschaft zugewandt hatte. Glücklicherweise habe ich den Absprung rechtzeitig geschafft – und kurzerhand auf die andere Seite gewechselt, die in meinem Herzen stets der Favorit war, wohl aber auch aus Gründen der Anpassung an den Mainstream zu lange unberücksichtigt blieb. Die wesentlichen Aspekte, weshalb ich mich mit Konsequenz in Richtung Mitte – und später dann in das sogenannte rechte Spektrum – bewegte, waren vor allem in der aufkommenden identitätspolitischen Auseinandersetzung zu suchen, mit der die Progressiven zunehmend in eine Ideologie der unbegrenzten Toleranz, harmonischen Vielfalt und der barmherzigen Nächstenliebe gegenüber allem und jedem verfielen. Dass sich hinter dieser Scheinwelt der angeblichen Glückseligkeit eine rigorose Verachtung über das menschlichen Dasein verbarg – insbesondere dann, wenn es um die Spezies der Deutschen geht -, fiel mir spätestens wie Schuppen von den Augen, als man sich mit Blick auf die Flüchtlingsströme zu einer Mentalität der Regellosigkeit, Prinzipienlosigkeit und Gesetzlosigkeit hinreißen ließ. Nicht das Wohl des eigenen Volkes, sein Fortbestand und die Gewähr für eine Kontinuität der autochthonen Mehrheitsverhältnisse standen für diejenigen im Vordergrund, die weder mit Patriotismus noch Nationalstolz irgendetwas anfangen konnten – sondern vor allem aber auch mit sich selbst nicht im Reinen schienen. Sondern ihr Bedürfnis nach Kompensation persönlicher Verlust- und Versagensängste. An Dramatik gewann diese Wahnhaftigkeit mit dem Aufkommen einer völlig abstrusen These, wir sollten aufgrund der fortschreitenden Erderhitzung auf das Gebären von Kindern verzichten. In bizarren Videos wechselte manch ein ökologischer Influencer in den Modus von Masochismus, Kasteiung und Verzicht – und entbehrte kurzerhand nicht nur jegliche Fleischprodukte, die Ölheizung oder das fossil betriebene Automobil. Sondern es geriet zunehmend in Verruf, Nachwuchs in die Welt zu setzen – weil man sich der paranoiden Überlegung hingab, allein die Existenz des Homo sapiens auf diesem Globus sei mit Blick auf das Wettergeschehen am Himmel schuldhaft und sündig.
Während die einen Mütter diese Irrwitzigkeit mit der Sorge begründeten, sie wollten niemandem eine Zukunft in Feuersbrunst, Monsterstürmen und Sintfluten zumuten, waren es wiederum andere Väter, die auf den zusätzlichen Ausstoß von CO2 verwiesen, welche ein Schützling durch seine Atmung und den Konsum von treibhausgasintensiven Nahrungsmitteln emittieren würde. Es braucht also durchaus starke Nerven und im Zweifel einen Psychiater, um einer derartigen Logik als vernünftiges Wesen nur ansatzweise folgen zu können. Denn in der besonders für die Grünverblendeten typischen Kurzsichtigkeit vergisst ein jeder Doppelmoralist, dass unserer Umwelt durch die Erschaffung einer künstlichen Realität aus Windrädern, Photovoltaikanlagen und LNG-Terminals deutlich mehr Schaden zugefügt wird als durch jede Darmtätigkeit eines Rindviechs aus der Weide nebenan. Dass man die Nachkommenschaft nicht in eine Wirklichkeit entlassen will, in der keine Wälder mehr stehen – und die Flächen verödet sind, weil die riesigen Fundamente der Propeller sämtliches Wurzelwerk zerstört haben und Solarpanelen die fruchtreichen Äcker vollends beschatten, das könnte man durchaus noch nachvollziehen. Auch angesichts der täglich neuen Messerangriffe, Prügelattacken und Vergewaltigungen in unseren Parks, den Fußgängerzonen und auf Schulhöfen kommt manch ein Paar durchaus ins Grübeln, in welchen Verhältnissen die Jugend von morgen aufwachsen wird. Doch wenn man sich nicht nur den evolutionären Auftrag an unsere Zivilisation verdeutlicht, dann ist die Abneigung gegenüber einer Familiengründung keine adäquate Antwort auf die Fragen der Gegenwart. Und deshalb dürfen wir auch nicht in die Falle tappen, welche von einer sittlich verrohten Bevölkerungskohorte ausgelegt wird, die mit dem Wert des Lebens fahrlässig, unverantwortlich und verwerflich umgeht. Die Ampel hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag die Überprüfung von § 218 StGB vorgenommen. Nachdem man eine überaus tendenziös besetzte Expertenkommission mit einer entsprechenden Stellungnahme beauftragt hatte, scheint es nun vor allem innerhalb der SPD vehemente Anstrengungen zu geben, das Thema Abtreibung vollständig aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.
Die über Dekaden für einen Kompromiss der verschiedenen Ansichten sorgende Fristenlösung könnte damit auf der Kippe stehen. Auch wenn man grundsätzlich betont, dass niemand zwingend beabsichtige, den medizinisch nicht notwendigen Eingriff gegebenenfalls bis zum Tag vor der Geburt zu erlauben, könnte ein ethischer Dammbruch bevorstehen. Insbesondere unter der Maßgabe, dass in einem Rechtsstaat stets eine Interessenabwägung vorgenommen werden muss, sind die Bestrebungen der Sozialdemokratie überaus befremdlich – und provozieren eine weitere Spaltung unseres Miteinanders, in dem die wertkonservative Position über die Unantastbarkeit des noch im Mutterleib Heranwachsenden genauso einen legitimen und stellenwertigen Platz hat wie die Anforderung nach Selbstbestimmung des weiblichen Geschlechts über den eigenen Körper. Wer nun denjenigen ein überproportionales Gewicht in der Abwägung schenken will, die sich in einer Philosophie der Laxheit, Unbedingtheit und Zügellosigkeit vor dem Sexualakt mit dem Gegenüber nicht darüber einig werden, ob es bei einem One-Night-Stand bleiben oder eine dauerhafte Beziehung werden soll, brüskiert nicht nur alle Verfechter einer Tugend der Umsichtigkeit. Stattdessen entlarvt man sich als eine egozentrische, narzisstische und histrionische Menge an Transhumanisten, die nach Belieben in den Schöpfungsprozess eingreifen – und sich durch eine Interruptio Graviditatis bei Bedarf bis zum letztmöglichen Augenblick aus der Verantwortung ziehen wollen, in einem Zeitalter der vielfältigen Optionen zur Empfängnisverhütung bereits vor dem Beischlaf mit entsprechenden Mitteln eine Schwangerschaft zu verhindern, statt im Nachhinein auf die einfache Art Mutter Natur ein Schnippchen zu schlagen. Es korreliert mit einer emanzipatorischen Manier der Bequemlichkeit, niemandem eine Anstrengung abzuverlangen, welche die ad absurdum geführte Autonomie der Dame von Welt in irgendeiner Weise tangieren könnte. Doch wir befinden uns eben nicht in einer von sämtlichen Verpflichtungen befreiten Generation, in der man mit dem höchsten Gut und Geschenk, das man uns als sozialisierten und fortentwickelten Kreaturen machen kann, allzu leichtfertig und impertinent umgeht. Stattdessen ist es zumutbar und abzuverlangen, den Entwicklungsprozess eines neuen Menschen nur in den aller äußersten Notfällen zu unterbrechen. Und dass es hierfür im Zweifel auch die Androhung von Sanktionen bedarf, wenn man sich gegen die konsensual verabredeten Bedingungen stellt, zeigt sich gerade an der Empörung der Gleichberechtigungsfanatiker, die im Zweifel anarchische Zustände befürworten würden, ließe man sie sich im Gegenzug aus sämtlichen kollektiven Prämissen und Konventionen stehlen.