Kommentar von Dennis Riehle
Ist es zu viel verlangt von der Politik, Wunder zu erwarten? Diese Frage scheint sich aktuell offenbar die Redaktion des „Focus“ gestellt zu haben, die mit einem reißerischen Artikel über den ersten Landrat der AfD in unserer Hemisphäre auf sich aufmerksam macht. Kurzerhand erklärt sie den vor rund einem Jahr ins Amt gekommenen Robert Sesselmann für sämtliche Probleme verantwortlich, die vornehmlich nicht er zu verantworten hat, sondern die Vorgänger aus den etablierten Parteien. Da will das mittlerweile in vielen Bereichen ebenfalls deutlich nach links gerückte Magazin unter den Bewohnern von Sonneberg um der Umgebung eine große Enttäuschung über die bisherigen Maßnahmen des 51-Jährigen festgestellt haben. Man zeichnet ein Horrorbild über eine Gegend, die sicherlich nicht erst in den vergangenen zwölf Monaten in einen offenbar desolaten Zustand geraten ist. Die Schule müsse geschlossen werden und die Klinik sei insolvent, prangert man an. Ohne nähere Belege für die scheinbare Echauffierung im fränkisch angehauchten Thüringen vorzulegen, behauptet die Journaille, dass die Bevölkerung unter anderem entsetzt darüber gewesen sei, dass der Vertreter der Alternative für Deutschland die sogenannte zivilgesellschaftliche „Partnerschaft für Demokratie“ nicht weiter fördern wollte. Gleichermaßen habe er seine Wahlversprechen gebrochen, weil es eben nicht zu der angekündigten Wende in sämtlichen Belangen gekommen sei – und man heute schlechter dastehe als je zuvor. Inwieweit das eingefangene Bild repräsentativ ist, kann der Beitrag natürlich nicht beantworten. Stattdessen wird eine Stimmungslage als allgemeinverbindlich dargestellt, die möglicherweise nicht auf der Frustration über den immer wieder als „rechtsextrem“ titulierten Anwalt basiert, sondern wahrscheinlich eher auf überzogenen Hoffnungen. Natürlich hatte er im Vorfeld des Urnengangs mit fundamentalen Veränderungen geworben – wie es jeder Konkurrent machen würde. Und dabei artikulierte er weitreichende Zielvorstellungen, die allerdings schon deshalb nicht erreicht werden konnten, weil der Handlungsspielraum in seinem Amt deutlich begrenzt ist. Insofern kommt es stets auf den Orientierungspunkt an, von dem aus man die Messlatte dafür anlegt, was denn praktisch überhaupt denkbar war.
Dass auch die Blauen – im Gegensatz zu Robert Habeck – keine messianische Lichtgestalt sind, mag vielleicht für jene desillusionierend sein, die angesichts des Abwrackkurses der Vorgänger darauf gesetzt hatten, dass sich über Nacht eine diametrale Trendumkehr verwirklichen ließe. Dass es dem Familienvater nicht wirklich einfach gemacht wurde, das zeigten die hetzerischen Schlagzeilen in der längeren und jüngeren Vergangenheit. Da titelte manch ein Schmierblatt mit der Überschrift, er sei neuerdings mit einer „Nazi-Braut“ liiert. Dass sich die Muckraker mit solch einer Demagogie gegen jegliche Publizistische Grundsätze zur Einhaltung von Integrität und Persönlichkeitsrechten eines Mannes stemmten, den ein Gericht auf Geheiß von „Der Spiegel“ nun auch dazu verpflichtet hat, schriftliche Fragen zu seiner Mandatsführung zu beantworten, sei nur nebenbei erwähnt. Mit einer ethisch und moralisch höchst verwerflichen Manier versucht man den Leumund und die Reputation eines Einheimischen zu zerstören, welchem bei einer nüchternen Betrachtung der ihm zur Verfügung stehenden Kompetenzen nur äußerst bedingt ein Vorwurf unterbreitet werden kann, die erste Etappe nicht zur Zufriedenheit aller Bürger absolviert zu haben. Gerade im Bereich der Migration hat er klare Kante gezeigt – und sich damit einem Thema gewidmet, welches für den mehrheitlichen Souverän ausschlaggebend war, das Kreuz auf dem Stimmzettel bei ihm zu setzen. Dass es in der Realpolitik keine Heilsbringer gibt, sollte eigentlich ebenso bekannt sein wie die Tatsache, dass dieses Parkett nicht für ein Wunschkonzert geeignet ist. So scheint es dreist, jemandem zu verübeln, den Karren nach kurzer Zeit noch nicht aus dem Dreck gezogen zu haben, der über ganze Dekaden von Anderen versenkt wurde. Sesselmann scheint sich aktuell zum Sündenbock für das zu eignen, was insbesondere die Christdemokratie an Scheitern und Versagen an den Tag legte. Die Lage ist zu ernst, um Zauberei herbeizusehnen. Verständlicherweise entwickelt sich über die Breite hinweg gerade ein zunehmender Groll angesichts der Gegebenheiten, die vor allem aber im Großen ihren legislativen Ursprung finden.
Die Kommunen sollen das ausbaden, was beispielsweise eine „Wir schaffen das!“-Kanzlerin mit ihrer Mentalität der offenen Grenzen an Dammbrüchen hingelegt hat. Dass gerade die finanzielle Lage für die unterste Ebene immer dramatischer wird, liegt nicht zuletzt an den immensen Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen und ihre Versorgung, mit der man in der Peripherie alleingelassen wird. Wer einen zutiefst unsoliden Haushalt vorfindet – und darüber hinaus in ständigem medialen Kreuzfeuer und öffentlicher Kritik steht -, wird es am Ende nicht leicht haben, jenen Ansprüchen gerecht zu werden, welche von Beginn an überzogen waren. Es ist ein überaus respektabler Entscheid gewesen, für eine Funktion anzutreten, in der die gestalterische Bewegungsfreiheit nicht viel weiter reicht als bis zur Kompetenz, am Ende als Nachlassverwalter für einen heruntergewirtschafteten Landkreis zu fungieren. Dass sich Sesselmann diese Aufgabe zugetraut hat, zeugt von Willensstärke, sich für die Heimat einzubringen. Die Umstände waren derart verfahren, dass selbst erfahrene und gewiefte Charaktere nur als Verlierer hätten dastehen können. So ist er nun zur Projektionsfläche für all den Ärger geworden, der im Osten noch immer mit einem gewissen Gefühl der Benachteiligung gegenüber manch einem prosperierenden Areal in den südlichen Gefilden der Republik korreliert. Nach einem langen Leidensweg wird die Ungeduld größer, obwohl doch jedem von uns bei einem weniger emotionalen Resümee so viel Pragmatismus und Rationalität abverlangt werden kann, dass selbst das beste Charisma und die weiteste Fachkenntnis einigermaßen nutzlos sind, wenn man auf einen zertrümmerten Porzellanladen losgelassen wird. Es ist dezent unverfroren, in der Berücksichtigung der miserablen Startbedingungen und fehlenden Chancengleichheit eines Wettbewerbers utopische Postulate zu formulieren. Natürlich wird sich eine neue Partei mit ihren Repräsentanten zunächst bewähren müssen. Hierbei sollte sie aber nicht mit anderen Kategorien bewertet werden als jene, die die Schuld für den Trümmerhaufen tragen. Auch für höhere Ebenen sollte man sich ehrlich machen – und keine Luftschlösser herbeisehnen. Die AfD ist kein unmittelbarer Erlöser von all den Lasten und Beschwernissen, welche einer Gesellschaft durch ein schamloses Konsortium an Profilneurotikern aufgebürdet wurden. Doch mit einem Votum für sie bleibt die Aussicht darauf am wahrscheinlichsten, von einem offensichtlichen Irrweg abzukommen.