Kommentar von Dennis Riehle
Es gibt auch heutzutage noch Kolumnisten, die geben sich bei ihrer Arbeit viel Mühe. Denn sie lassen zumindest nicht in den ersten Worten ihrer Beiträge erkennen, dass sie sachlich und fachlich mit dem Thema überfordert sind, dem sie sich großspurig widmen möchten. Gleichsam gibt es aber wiederum andere Kollegen, welche nicht einmal über die ersten Sätze hinaus zu überzeugen vermögen – weil sie ziemlich schnell erkennen lassen, wohin die Reise ihrer Argumentation gehen soll. Und so verhält es sich auch beim aktuellen Meinungsbeitrag der Focus-Autorin Susan Arndt. Die Botschaft ihres Textes lässt sich einigermaßen prägnant zusammenfassen: Wer die AfD verstehen will, der muss die Überzeugung des österreichischen Aktivisten Martin Sellner durchschaut haben. Was zunächst wie eine merkwürdige Verknüpfung anmutet, offenbart sich recht bald als ein plumper Versuch der erneuten Denunziation eines vermeintlichen Geheimtreffens am Lehnitzsee, welches das Recherchezentrum „Correctiv“ in einer beispiellosen Kampagne und unter der vermeintlichen Zuhilfenahme geheimdienstlicher Unterstützung wie auch des Segens der Regierung als einen Austausch von Rechtsextremen in die Schlagzeilen brachte. Die investigativen Detektive hatten mit einer eklatanten Verzerrung, Falschbehauptungen und streckenweise auch Lügen dafür gesorgt, dass sich die deutschen Leitmedien auf ein in diesen Tagen nahezu inflationär deklariertes „Ereignis der Zeitgeschichte“ stürzten und Demonstrationen von Millionen „Verteidigern“ der Demokratie arrangierten – obwohl das private Gespräch zwischen Vertretern der Alternative für Deutschland, der WerteUnion, der Identitären Bewegung und der Wirtschaft weder spektakulär noch anrüchig war. Denn schon damals war die Empörung einigermaßen gespielt. Und auch jetzt ist es die oben genannte Autorin, die sich wiederum in eine völlig banale Begrifflichkeit versteigt, die seither in aller Munde ist.
Aus ihrer Sicht sei die „Remigration“ von Menschen mit einer Fluchtgeschichte oder ausländischen Wurzeln rassistisch – denn sie orientiere sich ausschließlich an der Trennlinie zwischen Autochthonie und Allochthonie. Also an der Frage, ob eine Person in der Bundesrepublik einheimisch und gegebenenfalls auch schon über mehrere Generationen bei uns verwurzelt ist – oder sie oder die Eltern und Anverwandten ihren Ursprung außerhalb unserer Breiten haben. Dass ihre gesamte Ausführung allein durch diese Feststellung an jeglicher Glaubwürdigkeit verliert, war der Echauffierten offenbar nicht bewusst. Denn wäre sie mit der Materie vertraut gewesen, dann wüsste sie auch, dass die aus ihrer Sicht anstößige Vokabel bereits seit den 1980er-Jahren zum alltäglichen Sprachgebrauch in unseren Behörden gehört – und letztlich nichts Anderes formuliert als den legislativ festgehaltenen Auftrag der konsequenten Abschiebung und Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern, Einwanderern ohne Bleibeperspektive, mit fehlender Aufenthaltsberechtigung, Integrationsunwilligkeit, Tendenzen zu Kriminalität und Gewalt, nach illegalem Grenzübertritt, ohne Papiere oder fanatisiert auffallend. Wer stattdessen suggestiv eine Parallele zu „Deportationen“ herstellt – bei welchen der Einzelne gewaltsam, zwanghaft, illegitim und pauschal außer Landes gebracht wird -, der zeigt von Beginn an seine Voreingenommenheit und Subjektivität. Schlussendlich geht es weder Sellner noch der Alternative um eine massenhafte Ausweisung von hiesigen Staatsbürgern. Wer dies bewusst und boshaft intendiert, kann nicht den Anspruch anlegen, dass eine derart hanebüchene Verdrehung der Tatsachen in irgendeiner Weise ernstgenommen wird. Und wenn man sich der Definition der Xenophobie einigermaßen neutral nähert, dann kommt man ohnehin zu dem Schluss, dass es hierfür einer prinzipiellen und verallgemeinernden Benachteiligung, Ablehnung oder Ausgrenzung des Fremden braucht – die aber niemanden anvisiert.
Denn gerade diese Interpretation verbietet sich, wenn man sich – wie die Blauen – in einer klar umrissenen Forderung nach Anwendung der rechtsstaatlichen Regelungen dafür einsetzt, dass diejenigen unsere Gefilde wieder verlassen müssen, die ohne eine Begründung oder Erlaubnis auf unser Territorium vorgedrungen waren. Es hat auch nichts mit Verachtung des Unbekannten zu tun, wenn man sich zu den Geboten der Verfassung bekennt, die den Erhalt und Fortbestand unserer Spezies zu sichern anhalten. Bereits in Art. 116 GG lesen wir von der unmissverständlichen Aufforderung, die Kontinuität der „deutschen Volkszugehörigkeit“ zu garantieren. Damit einher geht eine profane und an sich vollkommen nüchterne Natürlichkeit, die in jeder anderen Nation auf diesem Globus selbstverständlich angesehen wird. Denn die Evolution hat uns mit unverkennbaren Wesensmerkmalen ausgestattet, welche dazu gedacht waren, dass wir uns vorerst innerhalb der eigenen Gruppe wiedererkennen – und uns mit ihr identifizieren können. Insofern sind ethnische Erkennungszeichen mit der Funktion versehen, sich vorrangig jenem Kollektiv nahe zu fühlen, das die Evolution nicht ohne Grund zunächst einmal von den anderen Zivilisationen separiert angeordnet hat. Wäre es im Sinne des Schöpfers gewesen, von Anfang an eine völlige Durchmischung der unterschiedlichen Gemeinschaften anzupeilen, wäre die unterschiedliche Positionierung der Verbünde auf diesem Planeten obsolet gewesen. Niemand hat etwas dagegen, in einem maßvollen Umfang gerade diejenigen aufzunehmen, die unter einer tatsächlichen, nachweisbaren und plausiblen Verfolgung in ihren Herkunftsregionen leiden – und deshalb auf Obdach und Versorgung andernorts angewiesen sind.
Ausländerfeindlichkeit liegt dagegen dann vor, wenn man sich generell gegen das Neue stellt – und dies vornehmlich aus der Motivation heraus, das Andere ohne Abstufung und Differenzierung zu verabscheuen. Doch Deutschland kann niemand vorwerfen, dass wir uns nicht auch empfänglich für diejenigen zeigen, die zu uns als authentische Schutzsuchende kommen – und zu Eingliederung und Assimilation bereit sind. Gegen ihre Anwesenheit wird sich kaum jemand richten, der auch um den bereichernden Aspekt weiß, den eine gezügelte, kontrollierbare und überschaubare Zuwanderung haben kann. Was allerdings momentan in Europa geschieht, liegt fernab jeder Erträglichkeit. Die Philosophie des Multikulturalismus muss schon allein deshalb als gescheitert angesehen werden, weil das obsessive Verordnen eines Zusammenlebens von Menschen mit höchst divergierenden Sprachen, Traditionen, Brauchtümern, Religionen, Geschichten, Sozialisationen, Werten, Normen, Prinzipien, Sitten, Gesetzen, Herrschaftsverständnissen und Freiheiten stets mit gesellschaftlichen Zumutungen verbunden ist – weil es nicht zuletzt mit einer sukzessiven Verschiebung der Mehrheiten auch zu einem Wegbrechen von Orientierung, Leitlinien und Verbindlichkeiten kommt, die für ein Miteinander von existenzieller Bedeutung sind. Und so bleiben weder die Perspektiven von Sellner, noch die Programmatik der AfD auch nur ansatzweise verwerflich. Stattdessen öffnen sie die Augen dafür, dass eine Einheit in Vielfalt nur dann möglich erscheint, wenn ein Grundkonsens darüber herrscht, dass es in einem Stamm eine dominierende Obrigkeit bedarf, die schon allein deshalb ein majoritäres Postulat erheben kann, weil sie im Gegensatz zu den Hinzugekommenen keine andere Heimat besitzt. Sie gibt die Marschrichtung vor, damit wir eben nicht in jenem Chaos enden, das wir aktuell an immer mehr Brennpunkten drastisch und schmerzvoll erleben. Schon früh hatten Politiker, Philosophen und Wissenschaftler darauf hingewiesen, wonach ein pluralistisches Ideal massiven sozialen Sprengstoff in sich trägt. Dass dieser sich aktuell im Gewand von Messern und Macheten zeigt, sollte auch denjenigen zu denken geben, die sich – wie Frau Arndt – vor Gutgläubigkeit kaum noch retten können.